Kommentar zu aktuellen Grundrechtsverletzungen gegen mehrere Kickersfans
Kürzlich haben bayerische Gerichte erneut massive Grundrechtsverletzungen gegenüber Kickersfans bestätigt. Konkret geht es in diesem Fall um die Bestätigung einer fragwürdigen Anordnung zur erkennungsdienstlichen Behandlung aufgrund eines angeblichen Vorfalls vom 13.12.2020 durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof.
Hintergrund des Ganzen ist eine Demonstration der linken Szene in Würzburg, die am 13.12.2020 eine polizeikritische Kundgebung am Würzburger Hauptbahnhof abhielt. An dieser Kundgebung nahmen auch einige Kickersfans teil. Die Veranstaltung verlief friedlich und ohne nennenswerte Zwischenfälle. Zeitgleich führte die Initiative „Eltern stehen auf“, deren Teilnehmer sich aus dem verschwörungsideologischen und coronamaßnahmenkritischen Spektrum rekrutieren, einen ihrer „Abendspaziergänge“ durch.
Der Rückweg der Kickersfans kreuzte die Demonstrationsroute von „Eltern stehen auf“. Dabei kam es zu Pöbeleien seitens der Fans, die von fußballüblichen Gesten begleitet wurden. Zu gewaltsamen Handlungen kam es zu keinem Zeitpunkt. Kurz nach dem Aufeinandertreffen war die Situation auch schon wieder vorbei und jeder ging seiner Wege.
Die Staatsschutzabteilung der Würzburger Kriminalpolizei nahm diese Nichtigkeiten jedoch zum Anlass, die Betroffenen im Nachgang zu diesem Aufeinandertreffen mit massiven Repressionen zu überziehen. In einer Überdramatisierung und offensichtlich bewussten Fehlinterpretation der Situation leitete die Polizei Ermittlungsverfahren gegen sieben Kickersfans ein. Darüber hinaus ordnete sie gegen dieselben Kickersfans eine erkennungsdienstliche Behandlung an. Konkret wird gegen die Kickersfans wegen der Straftatbestände der Nötigung, des Landfriedensbruchs und des Verstoßes gegen das Bayerische Infektionsschutzgesetz ermittelt. Begründet wird dies aus polizeilicher Sicht damit, dass die Kickersfans nur durch unmittelbaren Zwang der anwesenden Polizeikräfte durch Schieben und Drücken von Gewalttätigkeiten gegen die Demonstrationsteilnehmer abgehalten werden konnten. Dass es mehr bedarf als bloßes Schieben und Drücken, um zu Gewalttaten entschlossene Fußballfans von diesen abzuhalten, liegt auf der Hand und bestätigt den Standpunkt der Kickersfans, dass Gewalttaten zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt waren. Merkwürdig mutet auch die Behauptung der Polizei an, die von den Kickersfans getragenen Masken hätten, lediglich der Vermummung und nicht dem Infektionsschutz gedient. Im gleichen Atemzug gibt die Polizei dann aber an, dass die Identifizierung der Kickersfans möglich gewesen sei, weil diese die Masken mehrfach zum Rauchen oder Trinken abgenommen hätten. Wie eine bewusste Vermummung mit dem Abnehmen der Maske einhergehen kann, bleibt in diesem Fall fraglich und offenbart die Strategie der Polizei, den Sachverhalt zu dramatisieren, um Repressionen zu legitimieren.
Im März 2023 (Beginn der Ermittlungen: 13.12.2020) dauern die Ermittlungen im Strafverfahren noch an, während sich in der ED-Behandlungssache einiges getan hat.
Die Kickersfans klagen vor dem Verwaltungsgericht Würzburg gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung der ED-Behandlung. Wenige Tage vor der Verhandlung erfahren die Kickersfans von einer Hausdurchsuchung bei einem Fotografen und Aktivisten der linken Szene in Würzburg. Diese hatte das Ziel, Beteiligte und Beweise für die Tatvorwürfe zu finden. Mit Stand März 2023 ist im Strafverfahren noch keine Anklage erhoben worden. Aufgrund der Durchsuchung war auch im Dezember 2021, dem Verhandlungstermin vor dem Verwaltungsgericht, davon auszugehen, dass die Polizei weder genaue Kenntnisse über die teilnehmenden Kickersfans noch Beweise für die Tatvorwürfe vorweisen konnte. Dennoch bestätigt das Verwaltungsgericht Würzburg die Rechtmäßigkeit der ED-Behandlung. Bemerkenswert ist auch, dass die im Vorfeld ergangenen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts nicht individuell auf die Kickersfans eingehen, sondern in Form von Textbausteinen für alle Kickersfans gleich formuliert wurden. Hier wurde also ein massiver Grundrechtseingriff der Polizei durch das Verwaltungsgericht Würzburg legitimiert, bei dem weder sicher ist, wer was getan haben soll, noch im Einzelfall differenziert wird und die beteiligten Kickersfans mit ihren unterschiedlichen Lebensgeschichten im Urteil berücksichtigt werden.
Mit dieser zweifelhaften Entscheidung wollten sich die betroffenen Kickersfans nicht zufriedengeben. Sie legten in nächster Instanz Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ein. Dieser ließ die Berufung jedoch nicht zu. Dabei ließ er die Argumentation des Verteidigers der Kickersfans außer Acht und paraphrasierte lediglich das bestehende Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg. Damit ist die Entscheidung unanfechtbar, das Urteil rechtskräftig und die ED-Behandlung für zulässig erklärt.
Eine erkennungsdienstliche Behandlung umfasst das Fotografieren, Vermessen und die Abnahme von Fingerabdrücken. Es liegt auf der Hand, dass dies einen massiven Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich eines Menschen darstellt. Es sollte auch klar sein, dass ein solcher Eingriff nur mit einer guten und stichhaltigen Begründung vorgenommen werden darf. Dass im Fall der betroffenen Kickers-Fans nicht einmal eine Tatbeteiligung nachgewiesen werden kann, sie aber trotzdem, mit der Bestätigung zweier Gerichte, zu diesem Grundrechtseingriff gezwungen werden, ist katastrophal.
Über die tatsächlichen Gründe der Polizei für diese Überdramatisierung kann natürlich nur spekuliert werden. Eine Vermutung ist, dass sich die Fanszene der Kickers in den letzten Jahren vergrößert und verändert hat. Mit der Präsenz vieler junger, neuer Fans gehen natürlich auch jugendkulturelle Phänomene einher, die sich im Stadtbild manifestieren. Dass die Stadt Würzburg sehr auf ihr Saubermann-Image bedacht ist, ist jedem Würzburger bewusst und dass jugendkulturelle Erscheinungen in der Vergangenheit auch schon aus dem Stadtbild verdrängt wurden, ist unbestreitbar. Als weiteres aktuelles Beispiel kann hier das nächtliche Alkoholverbot in Teilen der Innenstadt genannt werden, in denen sich überwiegend Jugendliche aufhalten, die nicht über die finanziellen Möglichkeiten verfügen, Lokale des Nachtlebens aufzusuchen.
Gleichzeitig ist Würzburg Ausbildungsstandort der Bereitschaftspolizei. In diesem Fall, wie auch bei Vorfällen in der Vergangenheit, besteht der Verdacht, dass Fußballfans in Würzburg Vorfälle bewusst dramatisieren und eskalieren, um den Polizeianwärtern die Möglichkeit zu geben, das Gelernte in die Praxis umzusetzen. Fußballfans werden so zu Objekten für polizeiliche Übungszwecke degradiert.
Wir als Fanhilfe1907 kritisieren in diesem Zusammenhang diesen übermäßigen Eingriff in die Grundrechte der Fußballfans durch die Polizei und die Bestätigung durch die Gerichte. Gleichzeitig kritisieren wir die Praxis der Würzburger Polizei, Fußballfans zu Menschen zweiter Klasse zu degradieren, um sie als Übungsobjekte zu missbrauchen.
Wir fordern die Stadt, die Polizei und die Gerichte auf, die Grundrechte der Fans zu respektieren und in Zukunft rechtswidrige Eingriffe in die Grundrechte der Fans zu unterlassen. Außerdem fordern wir, dass die Polizei aufhört, Fußballfans zu Übungsobjekten zu degradieren.