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Information der Fanhilfe zu den polizeilichen Maßnahmen nach dem Derby

Liebe Kickers-Fans,

im Nachgang unseres letzten Auswärtsspiels in Schweinfurt wurde eine große Zahl von Personen nach Spielende durch die Polizei festgesetzt. Diese Menschen – darunter auch einige Fans, die nicht der Ultra-Bewegung angehören – wurden über einen längeren Zeitraum in einem Polizeikessel festgehalten und anschließend erkennungsdienstlich behandelt.

Wir wenden uns mit diesem Schreiben gezielt an diejenigen unter euch, die nicht aktiv an den Vorfällen im Stadion beteiligt waren, aber dennoch von den polizeilichen Maßnahmen betroffen wurden.

Wir möchten euch informieren, aufklären und Ansprechpartner nennen, die euch bei Fragen zur Seite stehen – vor allem, falls in den kommenden Wochen oder Monaten Post von der Polizei oder Staatsanwaltschaft bei euch eintrifft.

 

Was bedeutet eine erkennungsdienstliche Behandlung (ED)?

Am Spieltag umfasste die erkennungsdienstliche Behandlung folgende Maßnahmen:

  • Anfertigung mehrerer Lichtbilder, darunter Porträtaufnahmen mit und ohne Kopfbedeckung
  • Aufnahmen der Finger- und Handflächen
  • Erfassung der Personalien

Diese Maßnahmen dienen der Identitätsfeststellung.

Wichtig: Die Durchführung einer ED-Behandlung bedeutet nicht, dass ihr automatisch einer Straftat verdächtigt oder beschuldigt werdet. Besonders im Zusammenhang mit Fußballspielen kann sie auch Personen betreffen, die nicht aktiv an etwaigen Vorfällen beteiligt waren.

 

Was kommt jetzt noch?

In manchen Fällen folgt auf eine ED-Behandlung ein Schreiben der Polizei oder der Staatsanwaltschaft – zum Beispiel eine sogenannte Anhörung als Beschuldigte*r oder Zeug*in oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Polizeiliche Maßnahmen erfolgen mitunter „auf Verdacht“, ohne konkrete Vorwürfe gegen Einzelpersonen. Nicht jedes Verfahren führt zu einer Anklage oder Strafe – viele werden mangels Beweisen eingestellt.

 

Was tun, wenn Post kommt?

Falls ihr ein Schreiben erhaltet: Ruhe bewahren.

  • Keine Aussagen machen.
  • Zu einer polizeilichen Anhörung müsst ihr nicht erscheinen. Ihr müsst diesen Termin auch nicht bestätigen oder absagen. Nur bei gerichtlichen Vorladungen besteht Anwesenheitspflicht.
  • Nehmt zügig Kontakt mit uns oder einem Anwalt auf. Wir helfen euch weiter und können den Kontakt zu einem Anwalt herstellen.
  • Lasst durch den Anwalt Akteneinsicht beantragen, bevor ihr irgendetwas beantwortet.

 

Achtung: Lasst euch nicht durch scheinbar freundlichen Smalltalk eines Polizisten zu Aussagen verleiten

Die Polizei nutzt in solchen Situationen oft die Unsicherheit mancher Fans aus, um an Informationen zu gelangen – auch wenn gegen euch gar kein konkreter Vorwurf besteht.

Formulierungen wie:

„Du hast ja nichts gemacht, aber vielleicht kannst du uns helfen, jemanden zu identifizieren.“

„Für dich kann es nur hilfreich sein, wenn du mit uns kooperierst.“

…klingen harmlos, sind aber eine bewusste Strategie. Jede Antwort kann Konsequenzen haben – für euch oder andere.

Lasst euch nicht unter Druck setzen.Auch solche Gespräche müsst ihr nicht führen – ihr habt jederzeit das Recht zu schweigen, ohne dass dies negative Konsequenzen für euch hat.

Als Fans stehen wir füreinander ein – mit Loyalität, Solidarität und klarem Kopf.

Aussagen, die aus Angst oder Unsicherheit gemacht werden, helfen niemandem.

 

Eure Rechte – kurz und knapp:

– Recht zu schweigen

– Recht auf anwaltlichen Beistand

– Keine Pflicht zur Aussage bei der Polizei

– Keine Nachteile durch Schweigen

 

Wir lassen euch nicht allein

Wir von der Fanhilfe stehen euch zur Seite.

fanhilfe1907@gmx.de

Wir behandeln alle Anfragen absolut vertraulich.

 

Für die Zukunft

Solche Situationen zeigen leider, wie schnell man auch als unbeteiligter Fan in polizeiliche Maßnahmen geraten kann. Achtet bei künftigen Spielen besonders auf die An- und Abreise sowie auf Situationen, in denen sich Polizeieinheiten formieren – etwa vor dem Stadion, in der Halbzeitpause oder beim Verlassen des Blocks.

Unachtsamkeit in solchen Momenten kann dazu führen, dass ihr ins Visier geratet.

Bleibt solidarisch, bleibt aufmerksam – und vor allem: Lasst euch nicht einschüchtern.

 

Fanhilfe 1907, 09.05.2025

Fanprojekt erhalten!

5 Jahre wurde diskutiert und verhandelt, bis im Oktober 2021 der Startschuss für das Würzburger Fanprojekt endlich fiel. Nun aber, nach nur 2 Jahren, steht die Fansozialarbeit um unsere Kickers schon wieder vor dem Aus, da Stadt und Landkreis Würzburg bekannt gaben, ihren Teil der Finanzierung einzustellen. Nachvollziehbare Argumente werden nicht vorgelegt. Stattdessen versucht man mit zusammenhanglosen “Statistiken” ein möglichst negatives Bild der bisherigen Arbeit zu zeichnen, um den Stopp der Förderung zu rechtfertigen. Dass sich Erfolg sozialer Jugendarbeit nicht an blanken Zahlen oder nachträglich zur Bewertung herangezogener Erwartungen messen lässt, ist die eine Sache. Was hingegen fassungslos macht, ist die scheinbare Ignoranz oder die blanke Unkenntnis darüber, wie Sozialarbeit in der Praxis funktioniert.

Unser Fanprojekt ging Ende 2021 unter stark erschwerten Bedingungen an den Start. Kontakteinschränkungen, Geisterspiele und weitere Corona-Auflagen ließen über die ersten Monate faktisch keine normale Fanprojekt-Arbeit zu. Rechnet man also vom produktiven Start bis zum Beschluss die kommunalen Gelder einzustellen (Landkreis Würzburg im Juni 2023), hat man dem Fanprojekt nicht einmal 18 Monate Zeit gegeben sich zu beweisen.

Neben dem großen Vertrauen, welches die Mitarbeiter innerhalb der Fanszenen gewonnen haben, wächst stetig das aktive Angebot, das sich an Jugendliche aus der Region richtet. Zu fast jedem Auswärtsspiel fährt ein gut gefüllter Jugendbus, unter der Woche ist das Fanprojekt zu einer festen Anlaufstelle, besonders für Schüler und Studenten geworden. Aktionen wie eine kürzlich im Fanprojekt und im Stadion gezeigte Ausstellung zum Thema Flucht und Migration stoßen bei jungen und alten Fußballfans in Würzburg auf großes Interesse.
Das Fanprojekt hat sich zu einem festen Partner an der Seite der vielen jungen Fußballfans entwickelt. Wer mit offenen Augen durch Würzburg geht, versteht: Die Jugend dieser Stadt geht zu Kickers! Würzburg braucht das Fanprojekt!

Wir fordern die Verantwortlichen der kommunalen Politik auf, diesen wichtigen Baustein sozialer Jugendarbeit zu erhalten!

Kommentar zu aktuellen Grundrechtsverletzungen gegen mehrere Kickersfans

Kürzlich haben bayerische Gerichte erneut massive Grundrechtsverletzungen gegenüber Kickersfans bestätigt. Konkret geht es in diesem Fall um die Bestätigung einer fragwürdigen Anordnung zur erkennungsdienstlichen Behandlung aufgrund eines angeblichen Vorfalls vom 13.12.2020 durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof.

Hintergrund des Ganzen ist eine Demonstration der linken Szene in Würzburg, die am 13.12.2020 eine polizeikritische Kundgebung am Würzburger Hauptbahnhof abhielt. An dieser Kundgebung nahmen auch einige Kickersfans teil. Die Veranstaltung verlief friedlich und ohne nennenswerte Zwischenfälle. Zeitgleich führte die Initiative „Eltern stehen auf“, deren Teilnehmer sich aus dem verschwörungsideologischen und coronamaßnahmenkritischen Spektrum rekrutieren, einen ihrer „Abendspaziergänge“ durch.

Der Rückweg der Kickersfans kreuzte die Demonstrationsroute von „Eltern stehen auf“. Dabei kam es zu Pöbeleien seitens der Fans, die von fußballüblichen Gesten begleitet wurden. Zu gewaltsamen Handlungen kam es zu keinem Zeitpunkt. Kurz nach dem Aufeinandertreffen war die Situation auch schon wieder vorbei und jeder ging seiner Wege.

Die Staatsschutzabteilung der Würzburger Kriminalpolizei nahm diese Nichtigkeiten jedoch zum Anlass, die Betroffenen im Nachgang zu diesem Aufeinandertreffen mit massiven Repressionen zu überziehen. In einer Überdramatisierung und offensichtlich bewussten Fehlinterpretation der Situation leitete die Polizei Ermittlungsverfahren gegen sieben Kickersfans ein. Darüber hinaus ordnete sie gegen dieselben Kickersfans eine erkennungsdienstliche Behandlung an. Konkret wird gegen die Kickersfans wegen der Straftatbestände der Nötigung, des Landfriedensbruchs und des Verstoßes gegen das Bayerische Infektionsschutzgesetz ermittelt. Begründet wird dies aus polizeilicher Sicht damit, dass die Kickersfans nur durch unmittelbaren Zwang der anwesenden Polizeikräfte durch Schieben und Drücken von Gewalttätigkeiten gegen die Demonstrationsteilnehmer abgehalten werden konnten. Dass es mehr bedarf als bloßes Schieben und Drücken, um zu Gewalttaten entschlossene Fußballfans von diesen abzuhalten, liegt auf der Hand und bestätigt den Standpunkt der Kickersfans, dass Gewalttaten zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt waren. Merkwürdig mutet auch die Behauptung der Polizei an, die von den Kickersfans getragenen Masken hätten, lediglich der Vermummung und nicht dem Infektionsschutz gedient. Im gleichen Atemzug gibt die Polizei dann aber an, dass die Identifizierung der Kickersfans möglich gewesen sei, weil diese die Masken mehrfach zum Rauchen oder Trinken abgenommen hätten. Wie eine bewusste Vermummung mit dem Abnehmen der Maske einhergehen kann, bleibt in diesem Fall fraglich und offenbart die Strategie der Polizei, den Sachverhalt zu dramatisieren, um Repressionen zu legitimieren.

Im März 2023 (Beginn der Ermittlungen: 13.12.2020) dauern die Ermittlungen im Strafverfahren noch an, während sich in der ED-Behandlungssache einiges getan hat.

Die Kickersfans klagen vor dem Verwaltungsgericht Würzburg gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung der ED-Behandlung. Wenige Tage vor der Verhandlung erfahren die Kickersfans von einer Hausdurchsuchung bei einem Fotografen und Aktivisten der linken Szene in Würzburg. Diese hatte das Ziel, Beteiligte und Beweise für die Tatvorwürfe zu finden. Mit Stand März 2023 ist im Strafverfahren noch keine Anklage erhoben worden. Aufgrund der Durchsuchung war auch im Dezember 2021, dem Verhandlungstermin vor dem Verwaltungsgericht, davon auszugehen, dass die Polizei weder genaue Kenntnisse über die teilnehmenden Kickersfans noch Beweise für die Tatvorwürfe vorweisen konnte. Dennoch bestätigt das Verwaltungsgericht Würzburg die Rechtmäßigkeit der ED-Behandlung. Bemerkenswert ist auch, dass die im Vorfeld ergangenen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts nicht individuell auf die Kickersfans eingehen, sondern in Form von Textbausteinen für alle Kickersfans gleich formuliert wurden. Hier wurde also ein massiver Grundrechtseingriff der Polizei durch das Verwaltungsgericht Würzburg legitimiert, bei dem weder sicher ist, wer was getan haben soll, noch im Einzelfall differenziert wird und die beteiligten Kickersfans mit ihren unterschiedlichen Lebensgeschichten im Urteil berücksichtigt werden.

Mit dieser zweifelhaften Entscheidung wollten sich die betroffenen Kickersfans nicht zufriedengeben. Sie legten in nächster Instanz Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ein. Dieser ließ die Berufung jedoch nicht zu. Dabei ließ er die Argumentation des Verteidigers der Kickersfans außer Acht und paraphrasierte lediglich das bestehende Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg. Damit ist die Entscheidung unanfechtbar, das Urteil rechtskräftig und die ED-Behandlung für zulässig erklärt.

Eine erkennungsdienstliche Behandlung umfasst das Fotografieren, Vermessen und die Abnahme von Fingerabdrücken. Es liegt auf der Hand, dass dies einen massiven Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich eines Menschen darstellt. Es sollte auch klar sein, dass ein solcher Eingriff nur mit einer guten und stichhaltigen Begründung vorgenommen werden darf. Dass im Fall der betroffenen Kickers-Fans nicht einmal eine Tatbeteiligung nachgewiesen werden kann, sie aber trotzdem, mit der Bestätigung zweier Gerichte, zu diesem Grundrechtseingriff gezwungen werden, ist katastrophal.

Über die tatsächlichen Gründe der Polizei für diese Überdramatisierung kann natürlich nur spekuliert werden. Eine Vermutung ist, dass sich die Fanszene der Kickers in den letzten Jahren vergrößert und verändert hat. Mit der Präsenz vieler junger, neuer Fans gehen natürlich auch jugendkulturelle Phänomene einher, die sich im Stadtbild manifestieren. Dass die Stadt Würzburg sehr auf ihr Saubermann-Image bedacht ist, ist jedem Würzburger bewusst und dass jugendkulturelle Erscheinungen in der Vergangenheit auch schon aus dem Stadtbild verdrängt wurden, ist unbestreitbar. Als weiteres aktuelles Beispiel kann hier das nächtliche Alkoholverbot in Teilen der Innenstadt genannt werden, in denen sich überwiegend Jugendliche aufhalten, die nicht über die finanziellen Möglichkeiten verfügen, Lokale des Nachtlebens aufzusuchen.

Gleichzeitig ist Würzburg Ausbildungsstandort der Bereitschaftspolizei. In diesem Fall, wie auch bei Vorfällen in der Vergangenheit, besteht der Verdacht, dass Fußballfans in Würzburg Vorfälle bewusst dramatisieren und eskalieren, um den Polizeianwärtern die Möglichkeit zu geben, das Gelernte in die Praxis umzusetzen. Fußballfans werden so zu Objekten für polizeiliche Übungszwecke degradiert.

Wir als Fanhilfe1907 kritisieren in diesem Zusammenhang diesen übermäßigen Eingriff in die Grundrechte der Fußballfans durch die Polizei und die Bestätigung durch die Gerichte. Gleichzeitig kritisieren wir die Praxis der Würzburger Polizei, Fußballfans zu Menschen zweiter Klasse zu degradieren, um sie als Übungsobjekte zu missbrauchen.

Wir fordern die Stadt, die Polizei und die Gerichte auf, die Grundrechte der Fans zu respektieren und in Zukunft rechtswidrige Eingriffe in die Grundrechte der Fans zu unterlassen. Außerdem fordern wir, dass die Polizei aufhört, Fußballfans zu Übungsobjekten zu degradieren.